Die Armen stehen im Mittelpunkt des Evangeliums, sind das Herzstück des Evangeliums. Wenn wir die Armen aus dem Evangelium herausnehmen, können wir die gesamte Botschaft Jesu Christi nicht verstehen."
Papst Franziskus vor Bischöfen, Priestern und Ordensleuten, Mariä-Empfängnis-Kathedrale, Manila, 16.01.2015 Gottes Barmherzigkeit ist nicht eine abstrakte Idee, sondern eine konkrete Wirklichkeit, durch die Er seine Liebe als die Liebe eines Vaters und einer Mutter offenbart, denen ihr Kind zutiefst am Herzen liegt. Es handelt sich wirklich um eine leidenschaftliche Liebe. Sie kommt aus dem Innersten und ist tiefgehend, natürlich, bewegt von Zärtlichkeit und Mitleid, von Nachsicht und Vergebung."
Misericordiae Vultus - Verkündigungsbulle des Jubiläums der Barmherzigkeit, 11.04.2015
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„Pilger der Hoffnung“, treffender als es dieses Leitwort des Heiligen Jahres 2025 zum
Ausdruck bringt, kann man Papst Franziskus kaum beschreiben. Inmitten aller Verwerfungen und Nöte unserer Zeit hat er sich nicht lähmen lassen, sondern immer wieder die Dinge beim Namen genannt und versucht, das Evangelium menschennah und
mutmachend, unkonventionell und leidenschaftlich zu verkünden. Er war Seelsorger durch und durch, vielen dadurch sogar unbequem, kein Ideologe oder Funktionär.
Er hat den ungebändigten Kapitalismus und Wirtschaftsliberalismus kritisiert, den unverantwortlichen Umgang mit der ganzen Schöpfung, allen Krieg und jeglichen Extremismus, aber auch den innerkirchlichen Klerikalismus und überzogenen Traditionalismus. Sein Herz schlug für die Armen und Gefangenen, die Flüchtlinge und die Migranten. Für sie hat er sich immer wieder auch gegenüber den Politikern und anderen
Machthabern eingesetzt. Barmherzigkeit war nicht nur ein Leitwort für ihn, sondern auch seine persönliche Grundhaltung. Darum hat er alle Christen ermutigt, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen und sich auch der Unvollkommenheit der Kirche bewusst zu sein, die nicht nur heilig, sondern auch „zerbeult“ ist, weniger ein „Haus voll
Glorie“ als ein „Feldlazarett“.
Seit er 2013 als erster Lateinamerikaner Papst geworden war, kam wieder viel Bewegung in die Kirche und konnte seitdem auch über „heiße Themen“ geredet werden. Die
Folge davon war freilich, dass sich „die Geister schieden“ und auch Widerstand gegen ihn aufkam. Auch wenn er manche drängenden Reformanliegen nicht so vorantrieb,
wie viele es erwarteten, so kann man es doch gewissermaßen als sein Verdienst ansehen, die katholische Kirche auf einen unumkehrbaren Weg zu mehr Synodalität und
Erneuerung gebracht zu haben. Während seines Pontifikats hat sich der Schwerpunkt unserer Kirche – auch an den Kardinalserhebungen und den zahlreichen Reisen zu
erkennen – deutlich von Europa weg verlagert.
Ich selbst bin ihm relativ häufig begegnet, zumeist in ökumenischen Zusammenhängen, zweimal davon auch bei unseren eindrucksvollen katholisch-evangelischen Pilgerreisen mit vorwiegend Jugendlichen aus Mitteldeutschland unter dem Motto: „Mit
Luther zum Papst“. Gern wäre Papst Franziskus noch in diesem Jahr in die Türkei gereist, um sich anlässlich des 1700jährigen Jubiläums des Konzils von Nizäa mit dem
Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios und anderen Kirchenführern zu treffen. Als Kirchen gemeinsam das Evangelium zu bezeugen und zu einer noch größeren Einheit
zu gelangen, aber sich auch mit den Vertretern der anderen Religionen zu verständigen, hat ihn zutiefst bewegt.
Möge er nun – symbolträchtig einen Tag nach dem Fest der Auferstehung unseres
Herrn Jesus Christus verstorben – das schauen, woran er geglaubt hat, und seine Vollendung in der Herrlichkeit Gottes finden.
Dr. Gerhard Feige
Bischof von Magdeburg
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